SPD-Ortsverein Dresden-West sagt grundsätzlich NEIN zur Großen Koalition

Veröffentlicht am 02.02.2018 in Bundespolitik

Karl-Heinz Laube & CFlak/Tim Reckmann / pixelio.de

Auf unserer Mitgliederversammlung im Januar diskutierten die Genossinnen und Genossen des Ortsvereins Dresden-West die Frage der Regierungsbeteiligung der SPD auf Bundesebene. Nach einer zweistündigen intensiven Debatte fasste der Ortsverein mehrheitlich den Beschluss, sich grundsätzlich gegen einen Eintritt in die Große Koalition auszusprechen.

 

 

Martin Schulz hatte nach der Bundestagswahl ein „Weiter so“ kategorisch ausgeschlossen. Noch am Wahlabend hatte er analysiert, dass der ungefähre Politikstil Angela Merkels unserem demokratischen System massiven Schaden zugefügt hat, da er Debatten verhindert und den beiden Volksparteien in der öffentlichen Wahrnehmung jede Unterscheidbarkeit genommen hat. Dies habe die Menschen in die Arme der AfD getrieben. Er sah nicht zuletzt deswegen den Platz der SPD in der Opposition, um von dort aus die Polarisierung der mitte-links und mitte-rechts Parteien voran zu bringen und um dem Rechtspopulisten nicht die Oppositionsführerschaft zu überlassen.

Auch nach dem Scheitern von Jamaika und angesichts der Ergebnisse der laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen den Unionsparteien und der SPD halten wir Martin Schulz’ Einschätzungen des Wahlabends gerade aus staatspolitischer Verantwortung heraus noch immer für gültig.

Denn wir fragen uns: Kann es uns gelingen, mit kleinen Schritten im Großen zu wirken? Oder müssen wir aus dem Großen die kleinen Schritte ableiten? Beide Fragen haben ihre Zeit. Die Frage ist dann, in welchen Zeiten wir leben? Klimawandel und demografische Entwicklung, Gesundheitsversorgung und Ernährungssicherheit, Ressourcenverknappung und Energieversorgung, Arbeitsmarkt 4.0 sowie internationale und europäische Krisen - das sind die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Um ihnen zu begegnen, braucht es aus unserer Sicht mutige Antworten, wollen wir nicht nur den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard der Menschen bewahren und punktuell verbessern, sondern vor allem auch die Zukunftssicherung für nachfolgende Generationen gewährleisten.

Das Sondierungspapier und die Zwischenergebnisse der Koalitionsverhandlungen sind jedoch aus unserer Sicht ein punktuell ergänztes „Weiter so“ jenes Merkelschen Politikstils, in dem für große Politikentwürfe kein Platz ist. Stattdessen gibt es ein bisschen Rentenverbesserung, ein bisschen Familiennachzug, ein bisschen Europäische Union, ein bisschen Pflegereform, ein bisschen mehr Bildung. Wir befürchten, dass die Große Koalition auf dieser inhaltlichen Grundlage Gefahr läuft, zu einem Verwaltungsbetrieb zu verkommen, in dem die SPD bestenfalls als kleines Korrektiv wirken kann.

Gleichzeitig werden diese kleinen Erfolge dadurch erkauft, dass die politische Debatte zwischen den (Noch-)Volksparteien um weitere vier Jahre vertagt wird. Merkels Windungen und ihre Übernahme sozialdemokratischer Politik haben in der vergangenen Legislatur den Regierungsparteien in der öffentlichen Wahrnehmung jede Unterscheidbarkeit genommen. Unter den Bedingungen der Großen Koalition konnte so eine politische Kultur heranwachsen, die vor allem die Ränder des vornehmlich rechten politischen Spektrums gestärkt hat. Wollen wir die demokratische Kultur in unserem Land stärken, braucht es mehr Raum für Polarisierung in der demokratischen Mitte. Aus der Erfahrung der vergangenen Großen Koalition fragen wir uns daher, ob wir den programmatischen Kurs unserer Partei tatsächlich verändern können, wenn wir im pragmatischen Regierungskorsett stecken. Die Erneuerung der deutschen Sozialdemokratie stellt für uns eine Grundvoraussetzung für die Belebung der demokratischen Kultur in unserem Land dar, die vom Wettbewerb unterscheidbarer Ideenentwürfe lebt. Wir haben große Zweifel, ob der Erneuerungsprozess der SPD und die damit verbundene Profilierung unter den Bedingungen des Dauerkompromisses in einer Großen Koalition überhaupt möglich ist.

Wir sorgen uns, dass wir am Kabinettstisch mit Frau Merkel unseren sozialdemokratischen Markenkern stattdessen weiter aushöhlen und unseren europäischen Schwesterparteien auf ihrem Weg in die Bedeutungslosigkeit folgen werden. Unser Anspruch muss aber sein, den sozialen Fortschritt zum Wohle jetziger und künftiger Generationen tatsächlich gestalten zu wollen. Dieser Verantwortung werden wir innerhalb der Großen Koalition nicht gerecht.

Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen auf unserer SPD lastet. In der Abwägung kommen wir jedoch zu dem Schluss, dass die Bewahrung und Profilierung der sozialdemokratische Idee für unser Land langfristig wichtiger ist, als den Konservativen und ihrer amtsmüden Vorsitzenden kurzfristig als Steigbügelhalter zu dienen. Daher spricht sich der SPD-Ortsverein Dresden-West grundsätzlich gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition mit CDU und CSU auf Bundesebene aus.

 
 

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